August 08, 2015

Kirchenzelt

Vergangenes Wochenende wollte ich bereits Sankt Marien hier in Tokyo besuchen, war aber an meinem Orientierungssinn gescheitert und im Endeffekt letztendlich auch zu spät dran, so dass ich, ohne die Kirche gefunden zu haben, aufgab und mich zurück nach Hause auf den Weg machte, mit dem einzig sehnsuchtsvollen Gedanken an eine kühlende Dusche. War das heiß am vergangenen Sonntag. So hatte ich mir fest für diesen Samstag einen zweiten Versuch vorgenommen. Heute war auch aus einem anderen Grund ein passender Tag für einen Kirchenbesuch und so machte ich mich mit der Erfahrung des letzten Sonntags erneut auf die Suche und so schwierig war es natürlich nicht, St. Mary's Cathedral zu finden.


Auch aus architektonischen Gründen interessierte es mich, es gibt so tolle moderne Kirchen (spontan fällt mir natürlich Herz Jesu in München ein), aber auch aus dem gesamten letzten Jahrhundert und den 60er Jahren, die mir gut gefallen z. B. manche Kirchen von Hans Schilling und dass es in Tokio eine "Kathedrale" geben würde, darüber hatte ich mir im Vorfeld überhaupt keine Gedanken gemacht. Christen sind ja in Japan nicht gerade zahlreich vertreten. Aber es gibt tatsächlich eine Diözese in Tokio und die hat zusammen mit der Hilfe des Erzbistums Köln in den 60er Jahren eine Kirche gebaut. Architekt war Kenzo Tange, dessen Name ich schon gehört habe, aber mit keinem einzigen Bauwerk verbinden konnte. Er hat wohl auch das "Rathaus von Tokio" entworfen, das in Shinjuku steht (und was ich ehrlich nicht besonders finde, abgesehen davon, dass es riesig ist).







Bilder von St. Mary's fand ich jedenfalls architektonisch interessant, also wollte ich mir selbst ein Bild machen. So groß, wie die Kirche auf manchen Bildern wirkt, ist sie letztendlich garnicht oder erscheint zumindestens nicht so, obwohl sie doch auch an die 40 m hoch ist. Von außen mit Edelstahl verkleidet, besteht sie innen aus rohem Beton. Beton als Baumaterial ist ja auch bei einem weiteren japanischen Architekt, von dem ich in meiner Zeit hier gerne noch ein paar Bauten sehen würde, Tadao Ando, sehr populär. Der freistehende Glockenturm weckte bei mir allerdings irgendwie die Assoziation an Gaudi (vielleicht wegen dieser "Kriegerköpfe" auf manchen seiner Bauten wie der Pedrera, eventuell einfach wegen dieser überstehenden, nasenartigen Strukturen) oder den Herrn der Ringe, schon komisch, was das Gehirn einem manchmal vormacht.



Der Kirchenraum wirkt wie ein Zelt und ich war und bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Im ersten Moment recht dunkel und für mich bedrückend, hat sich im Lauf der Zeit mein Eindruck gewandelt, als ich den Raum auf mich habe wirken lassen. Besonders interessant fand ich, nach einer Weile festzustellen, dass die Betonschalen nicht einfach gerade und spitz nach oben zur Decke zulaufen, sondern gewölbt und geschwungen sind, was den Eindruck eines Zeltes noch verstärkt, denn ein Zelttuch hängt ja auch ein wenig durch und ist nicht schnurgerade. Ich habe allerdings nicht geschafft, diesen Effekt auf ein Foto zu bringen, man kann es nirgends erkennen. Wie man es wohl schafft, diese Wölbungen zu gießen. Fotografieren war offiziell auch nicht erlaubt und es saß auch jemand in einem Glashäuschen, der einen guten Überblick über einen Großteil des Raumes hatte, da wollte ich nicht zu lange mit Kamera herum hantieren. Und es kamen doch auch immer wieder vereinzelt Menschen, zum Schauen oder zum Beten.
Mein Vorhaben, aus gegebenem Anlass eine Kerze anzuzünden, konnte ich aber leider nicht in die Tat umsetzen, denn anders als bei uns, gab es einfach keine. Woran das wohl liegt? Selbst in einigen der Tempelanlagen habe ich schon Kerzen gesehen (wenn es keine Holzkonstruktionen waren bzw in kleinen Anlagen draußen). Naja, es muss ja nicht immer alles wie zuhause sein.



Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen