Juli 26, 2015

Sumida in Flammen - hanabi

Feuerblume war eines der ersten japanischen Worte, an die ich mich erinnern kann - nicht zu verwechseln mit hanami - weil so einer der ersten Filme von Takeshi Kitano hieß, den ich irgendwann einmal gesehen habe. Umso größer war meine Begeisterung, als ich bei meinen Recherchen, was denn so zu tun oder los ist in Tokyo im Sommer, las, dass am letzten Samstag im Juli das größte Feuerwerk der Stadt abgebrannt wird. Und zwar an zwei Brücken des Sumida, einem der Flüsse, die die Stadt durchziehen. Da war der Plan schnell gemacht, die Gelegenheit zu nutzen. Das Spektakel wollte ich mir auf jeden Fall ansehen, wenn ich schon gerade hier bin und die Gelegenheit dazu habe. Sozusagen Rhein in Flammen auf japanisch.


Nach Recherche im Internet, wo ich immer nur las, wahnsinnig voll, am besten schon früh einen Platz freihalten, und Nachfragen bei Kollegen, ob nicht irgendjemand hinginge und ich nur Verneinungen erfuhr (aus den genannten Gründen, alle sagten immer nur, "it is soooo crowded" und es sei so heiß und überhaupt), war ich kurzzeitig etwas irritiert, aber Freitagabend fand ich dann doch noch eine Verabredung unter den Kolleginnen. Und das Angebot von Tomoko, mich zu begleiten, nahm ich natürlich gerne an, ist doch netter, wenn man ein bißchen Gesellschaft und Unterhaltung hat.
Sie hatte dann auch gleich abgewiegelt und meinem Plan, schon mittags aufzubrechen, einen Riegel vorgeschoben und gesagt, nein, wir treffen uns erst abends am Skytree, also auf der Ostseite des Flusses und nicht in Asakusa im Westen, wo es immer wahnsinnig voll sei. Also dann.
Als Kölner mit Rosenmontagserfahrung dachte ich, so schlimm kann es ja nicht sein und ich muss sagen, war es auch nicht. Obwohl es natürlich voll war, was ich bereits auf meiner Fahrt von Ikebukuro nach Ueno, von dort weiter mit der U-Bahn nach Asakusa und dann weiter mit der Skytree Line bemerkte. Wobei dann schnell klar war, dass die meisten tatsächlich in Asakusa bleiben wollten. Meine Güte, war es da voll. Und die U-Bahnhaltestelle ist am Bahnsteig nicht wirklich groß, bis sich da alle verteilt hatten, dauert es eine Weile. Aber einfach treiben lassen ist da die einfachste Methode. Es war auch soviel Polizei und Sicherheitspersonal unterwegs, überall, an jeder Zugtür stand ein rufender, ja fast schreiender Mensch, der Anweisungen gab und die Leute weiterwinkte, teilweise hielten die Herren und Damen Seile gespannt, anhand derer man sich in geordneten Schlangen vorwärts bewegte, teilweise über große Umwege in 180 Grad Kehren, aber immerhin gab es dadurch kein Gedrängel, auch wenn ich kurzzeitig an eine ausbrechende Massenpanik denken musste. Was einem auch manchmal für Gedanken durch den Kopf schießen. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich kurz zuvor noch Artikel über die Loveparade gelesen hatte. Aber irgendwann war ich auch draußen und in der Tobu Line Richtung Skytree war es dann schon wieder ruhiger.
Und dann stand ich zum ersten Mal am Fuß des Skytrees. Meine Güte, Wahnsinn, wie riesig der ist, bisher hatte ich ihn ja immer nur aus der Entfernung gesehen, aber es ist doch anders, wenn man direkt davor steht, den Kopf in den Nacken legt und trotzdem das Gefühl hat, die Spitze fast nicht mehr sehen zu können. Als nettes kleines Beiwerk des Abends konnte ich ihn dann auch noch in rot-grün-blau gefärbt sehen, in der Regel sei er wohl einfach blau beleuchtet.





Umgeben von sehr vielen Yukata-tragenden Japanern (interessanterweise hörten wir auch einige Chinesen - kam mir schon ein bißchen vor, wie die Verkleideten auf dem Oktoberfest, wenn auf einmal alle Dirndl tragen), wobei man diese farbenfrohen Yukatas hier, insbesondere während der Wochenenden sehr viel sieht (und ich finde das auch richtig schön, da macht in der Stadt gleich ein ganz anderes Bild), machten wir uns auf Richtung Sumida.
Im weiteren Umkreis der beiden betroffenen Brücken werden die Strassen für den Verkehr gesperrt und so saßen die Leute mitten auf der Fahrbahn auf Decken und Plastikplanen, wahrscheinlich teilweise auch bereits seit mittags, an den Seiten gab es Verkaufsstände mit Ess- und Süßwaren (nach dem Namen der Speise, die ich an dem Abend später noch gegessen habe, irgendwelche Klößchen, die mit Tintenfisch gefüllt waren, muss ich nochmal nachfragen, auf das "shaved ice", aus tiefgefrorenem Wasser, das in feine Scheibchen gehobelt und anschließend mit süßem Sirup des gewünschten Aromas übergossen wird - erinnert mich ein wenig an Granita - habe ich erstmal verzichtet), also wirklich ein wenig Volksfeststimmung.  Aber auch hier war alles geordnet und die Sitzbereiche von den Laufbereichen fein säuberlich abgetrennt und es wurde von den zuständigen Ordnern auch peinlich darauf beachtet, dass in der "Laufstrecke" niemand lange stehen blieb. Aber apropos Ordnungshüter, ich habe auch noch nie, wirklich noch nie, bewußt soviel kreisende Hubschrauber über einem Gelände gesehen. Fast fühlte ich mich an den G7 Gipfel Anfang des Sommers in Bayern erinnert.



Wir liefen dann erstmal mitten auf der Strasse, auf der sonst der Verkehr tobt (ist auch eine tolle Gelegenheit, den Skytree von der Straßenmitte aus zu betrachten) bis zum Fluss (über die Brücken, an denen das Feuerwerk abgebrannt ist, kann man natürlich in der Zeit nicht hinüber laufen) und ich hatte auch irgendwo gelesen, dass die anderen Brücken ebenfalls für Zuschauer gesperrt seien oder dass man nur hinüberlaufen, aber nicht stehenbleiben dürfe. Wenn ich da an mein erstes, einziges und auch definitiv letztes Erlebnis auf der einer Rheinbrücken zu Silvester denke, kann ich das auch gut verstehen.





Vorne am Fluss mußten wir dann allerdings feststellen, dass uns die aufgebockten Gleisanlagen der Bahnlinie etwas den Blick auf die links liegende Brücke versperrte, dafür bekamen wir den Anfang des Feuerwerks an der rechten Brücke mit. Um 19 Uhr, als es noch nicht ganz dunkel war, ging es bereits los, vor dem dämmrigen, leicht lavendelblauen Himmel wirkten die Lichter des Feuerwerks ganz zart, das hat mir gut gefallen. Es gab dann ein bißchen hin und her, als um 19.30 Uhr auch an der linken Brücke das Feuerwerk begann, um das einigermaßen gut mit zu bekommen, mußte ich den Standort wechseln, was mir dann wiederum den Blick versperrte auf die rechte Brücke. Das war ein bißchen schade, weil sich teilweise eine Art Dialog zwischen den Brücken abzuspielen schien, aber nichts desto trotz war es ein beeindruckendes Feuerwerk, was da abgefeuert wurde. Eineinhalb Stunden mehr oder weniger ständiges Geprassel, wenn der Winkel günstig war, konnte man Herzchen und Gesichter erkennen, es gab wohl auch Blumen (die habe ich als solche nicht gesehen) und ich bin dann vom Versuch, Fotos zu machen, dazu über gegangen, Filmchen zu drehen, weil mein Equipment für Fotos dann doch nicht so geeignet ist. Die Filmchen (falls Ihr mal schauen wollt und sie noch nicht gesehen habt, sind auch alle hier abgelegt). Irgendwann sind wir dann doch wieder zur großen. breiten Strasse zurück, von der aus man einen relativ geraden Blick auf die linke Brücke hatte und dort blieben wir bis zum Schluss, auch wenn uns an unserem Platz die Verkehrsüberwachungskamera mitten im Bild hing. Aber toll, wirklich beeindruckend, was dort geboten wurde. 





Wer bei etwas geglückteren (oder besser bearbeiteten) Aufnahmen schauen will, der wird bei instagram unter dem hashtag sumida fündig, zu ein paar Bildern stelle ich hier noch die Links ans Ende. Die farbigen Troddeln hatte ich zumindestens auch gesehen, wenn es auch für ein Foto nicht gereicht hat. Wahrscheinlich hat man dann doch insgesamt von der Asakusa Seite aus den besseren, weil freieren Blick, nicht umsonst wird es dort auch so unglaublich voll sein. Aber egal, ich war dabei.
Als dann um 20.30 Uhr die Knallerei vorüber war, brachen ziemlich viele sofort auf. Wir blieben einfach noch ein wenig sitzen, holten uns noch eine Kleinigkeit zum Essen und machten uns anschließend auf den Heimweg. Und zu dem Zeitpunkt hatten sich die Massen schon wieder verlaufen, es war auch nicht voller, als zu anderen Tages- und Nachtzeiten in dieser Riesenstadt. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich ja noch eine weitere Gelegenheit zu einem zweiten hanabi.



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